Warum ein Magazin für Kirchenmusik?
S. Cæcilia aus der Hand Guido Renis (1606)
Willkommen beim Offertorium, dem neuen Magazin für sakrale Musik! Seit einiger Zeit bemüht sich der Redakteur um die Förderung der Kirchenmusik im katholischen Umfeld. Im Zuge dieser Leidenschaft wurde klar, daß es zur heutigen Situation Einiges zu sagen gibt.
Wer im Milieu der katholischen Kirchenmusik unterwegs ist und eine gewisse Hartnäckigkeit dafür besitzt, die Hintergründe unserer heutigen Situation zu verstehen, wird auf eine Vielzahl ganz verschiedener Ansichten und Akzente treffen. Wie sieht eine gelungene Kirchenmusik aus? Online findet man gerade im englischsprachigen Raum eine Unzahl von Artikeln und Videos aus den letzten zwanzig Jahren bis heute, die eine gewisse Wiederentdeckung der ehrwürdigen Liturgie samt ihrer musikalischen Tradition widerspiegeln. Die Ideen der amerikanischen Aficionados sind aber von der harten Realität in den Pfarreien (hüben wie drüben) zum Teil weit entfernt. Was macht man nun daraus?
Auch im persönlichen Austausch kann man feststellen: Die Menschen haben eben doch verschiedene Auffassungen, was eine gute Kirchenmusik überhaupt ausmacht. Nun ist es gar nicht so leicht zu bemerken, wenn solche unterschiedlichen Ideen bestehen. Schließlich haben die Wenigsten unter uns die Gewohnheit, ihre Auffassungen über Kirche, Musik, Glaube und Liturgie in ausführliche Worte zu gießen, sodaß man überhaupt vergleichen könnte. Außerdem sind die Unterschiede in solchen Dingen häufig subtil und im Vergleich zu anderen Fragen (vermeintlich) auch nicht so entscheidend. Die Musik aber verweist für gewöhnlich auf Tieferes; und aus diesem Blickwinkel kann es sich lohnen, sich auch mit scheinbar subtilen Fragen zu beschäftigen.
Wie steht es eigentlich um die Kirchenmusik? Wer in der Welt sucht, der findet: Wir leben in einem Jahrhundert, in welchem das Können und die Expertise in Bezug auf sakrale Musik, auch alte Musik, eigentlich so reichlich und breit vorhanden ist wie kaum je zuvor. In der gesamten westlichen Welt, und nicht nur dort, findet man Vereine, Chöre und Ensembles jeden Niveaus, die sich (auch) der sakralen Musik verpflichtet fühlen. Gugelt einfach mal nach Chören usw. in eurer Nachbarschaft, und Ihr werdet vielleicht überrascht sein! Der Interessierte findet heutzutage selbstverständlich auch eine Fülle an Audio- und Video-Material und damit Zugang zum Besten, was die musikalische Welt zu bieten hat. Schließlich gibt es da noch eine Reihe hervorragender Musikhochschulen. Als einschlägiges Beispiel aus dem deutschsprachigen Raum sei hier die Schola Cantorum Basiliensis genannt (und kennt Ihr schon den Kanal Early Music Sources?). All das zählen wir hier auf, um uns einmal Mut zu machen über die Lage unserer Zeit: Es ist wirklich ein großes künstlerisches Potential da.
Und in der Kirche? Da sieht es dann auf einmal ganz mau aus. Ein leider vertrautes Bild bietet der Ortskirchenchor oder Musikverein, der an genau zwei Tagen im Jahr seinen Weg ins Innere der Dorfkirche findet, wo er dann unbeholfenerweise irgendwie im Altarraum plaziert wird und sich sichtbar fragt, wo er hier nun wieder gelandet ist…
Die vielen Ensembles, Vereine und Chöre ziehen es vor, konzertant aufzutreten; Ausnahmen bestätigen die Regel. Eigentlich bewahrt die Welt hier ein Stück weit das Erbe der Kirche. Das ist eine ganz erstaunliche Situation und kann sich auch auf ganz absurde Weise abzeichnen, wie im Beispiel der mittlerweile wieder vier berühmten Titularorganisten von Notre-Dame de Paris: Obwohl (oder weil) sie ein besonders prestigeträchtiges Amt innehaben, gehört die aktive Gestaltung der Messe (also die Kirchenmusik, wohlverstanden) am Wenigsten zu ihrem Aufgabengebiet. Dazu sagt Olivier Latry:
„Wir haben in Frankreich ein besonderes Verhältnis zur Orgel, die im 17. und 18. Jahrhundert stets einen sehr wichtigen Platz in der Liturgie einnahm. Im 19. Jahrhundert wurde die Orgel dann mehr zu einem weltlichen Instrument, nicht mehr ein Instrument für die Kirche. Viele Komponisten jener Zeit schrieben nun Orgelstücke fürs Konzert statt für die Kirche. Wir hatten also beide Richtungen, wodurch das Orgelrepertoire größer und berühmter gemacht wurde.“
Für Latry handelt es sich also um nichts weiter als eine musikhistorische Entwicklung. Damit wollen wir hier den eigentümlichen Verlust verdeutlichen, der unserer Liturgie ins Gesicht geschrieben steht. Sie ist stumm geworden, wie der Zacharias, von dem es im Introitus des Formulars vom heutigen 23. Juni aber heißt:
Fürchte dich nicht, Zacharias, dein Gebet ist erhört!
Zacharias mußte den Anweisungen des Engels folgen, um seine Stimme wiederzuerlangen. Wir wollen hier also nicht so sehr auf die historischen Ursachen unserer Verstummung eingehen und uns (hoffentlich) auch nicht allzu sehr damit aufhalten, unseren Istzustand zu bedauern. Stattdessen wollen wir einen gangbaren Weg suchen, wie wir Gott die Ehre geben können. Und dazu gibt es jetzt das Offertorium.